4. Temperatureffekte auf Festkörper#

Beim Festkörper sind die Moleküle/Atome in einer festen Gitterstruktur eingebunden. Die Bewegungen der Moleküle/Atom besteht aus Schwingungen um ihren Ruhepunkt. Nimmt die Temperatur zu, werden diese Schwingungen größer, sodass sich der mittlere Atomabstand vergrößert. Diese Ausdehnung findet auf mikroskopischer Ebene statt, da sich aber viele mikroskopische Ausdehnungen addieren, summieren sie sich zu makroskopischen Auswirkungen.

4.1. Lineare Ausdehnung#

Um diese Ausdehnung zu berechnen, wird zunächst ein 1-dimensionaler Festkörper betrachtet.

Laengenausdehnung

Fig. 4.25 Laengenausdehnung beim eindimensionalen Festkörper#

Da es sich beim eindimensionalen Festkörper um eine Ausdehnung entlang einer Linie handelt, wird diese Ausdehnung durch den linearen Längenausdehnungskoeffizient. Dieser Längenausdehnungskoeffizient wird im Folgenden mit α bezeichnet. Der Längenausdehnungskoeffizient ist stoffspezifisch und hat die Einheit [α]=1K

Der (lineare) Längenausdehnungskoeffizient α eines Festkörpers mit der Länge L ist definiert als

αL=LT

Im allgemeinen ist α eine nichtlineare Funktion von T (siehe Abbildung 8.1) α=α(T).

Laengenausdehnung von Kupfer

Fig. 4.26 Temperaturabhängigkeit des Längenausdehnungskoeffizient am Beispiel Kupfer. Quelle: TU Dresden#

Betrachtet man nicht allzu große Temperaturänderungen, kann die Temperaturabhängigkeit des Längenausdehnungskoeffizients vernachlässigt werden. Diese Näherung gilt dann natürlich auch nur für einen Temperaturbereich. Bei Literaturangaben muss daher immer auch der referenzierte Temperaturbereich beachtet werden. Näherungsweise gilt dann für den linearen Bereich

α(T)=α(T0)=konst.

Mit diesem Ansatz folgt aus

αL=LT⇒⇒L=L0eαΔT

Um die Anwendung der Formel zu vereinfachen, kann man beispielsweise eine Taylorentwicklung nutzen.

ex=i=0xii!1+x+x22+LL0(1+αΔT+α2ΔT22+)

In vielen Fällen reicht es, nur Terme bis zur ersten Ordnung zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass dann

LL0(1+αΔT)=L0+L(ΔT)=L(T+ΔT)

Bei großen Temperaturdifferenzen kann es notwendig sein mit mehreren Ausdehnungskoeffizienten zu rechnen und auch Terme zu berücksichtigen.

4.1.1. Beispiel: 1 dimensionale Längenausdehnung#

Zwischen den Schienen der Eisenbahn, deren Länge 12m beträgt, bleibt ein Abstand von 7mm. Mit welchen Temperaturdifferenzen rechnen die Bautechniker, wenn der lineare Ausdehnungskoeffizient des Schienenstahls α=1,11051K beträgt?

Laengenausdehnung

Fig. 4.27 Laengenausdehnung beim eindimensionalen Festkörper#

Zwischen den Eisenbahnschienen sind 7mm Abstand, dies bedeutet, dass sich die Schienen maximal um diese Länge ausdehnen dürfen, ohne dass sie aneinander stoßen und es zu ungewollten Spannungen kommt. Die Schienen können als eindimensional angenommen werden, da die Ausdehnung in der Länge viel größer als die Ausdehnung in Breite und Höhe sind.

L(T+ΔT)=L(T)+L(ΔT)=L0+L(ΔT)=L0(1+αΔT)

Damit ist

L(ΔT)=L0(αΔT)ΔT=ΔLL1α53C

4.1.2. Beispiel: Brücken#

Brücke

Fig. 4.28 Laengenausdehnung bei einer Brücke#

Für die in Abbildung 4.28 dargestellte Brücke gilt im Sommer

ΔT=TSommer20=20K

LSommer=200m(1+1110620)

und im Winter

ΔT=TWinter20=50K

LWinter=200m(11110650)

Damit ist der Längenunterschied zwischen Sommer und Winter

LSommerLWinter15cm

Die Golden Gate Bridge mit einer Länge von 2.7km hat damit eine Längendifferenz von ΔL=2700m(1+α70K)2m.

4.1.3. Beispiel: Kohlekessel#

Das Kohlekraftwerk Weisweiler besteht aus mehreren Blöcken. Einer der größeren Blöcke hat eine Leistung von 600MW. Der Kessel eines 600-MW-Blocks hat einen Querschnitt von etwa 20 mal 20 Metern, eine Höhe von etwa 125 Metern. Die Temperatur erreicht im Kessel etwa 1.000 Grad.

Um die Temperaturausdehnung des Kohlekessels abzuschätzen muss ein großer Temperaturbereich von 20 bis 1000 durchlaufen werden. Hier ist die Näherung durch einen linearen Längenausdehnungskoeffizienten nur sehr ungenau. Sinnvoll ist es, die Ausdehnung in 2 Temperaturbereiche aufzuteilen, die dann jeweils nacheinander betrachtet werden.

Für Stahl gilt abschätzungsweise

α¯0200C=:α¯113106K1

α¯2001000C=:α¯219106K1

Damit ist mit L(0C)=125m

L1=L(200C)=L0(1+α¯1ΔT1)=125m(1+13106K1200K1)125.33m

L2=L(1000C)=L1(1+α¯2ΔT2)=L1(1+19106K1800K1)127.23m

4.1.4. Anwendung: Bimetallstreifen#

Eine einfache Anwendung ist der Bimetallstreifen. Hier werden 2 Metallstreifen aus unterschiedlichen Metallen aufeinandergeklebt. Aufgrund der unterschiedlichen Längenausdehnung bei Temperaturänderung verändert sich die Länge der einzelnen Metalle verschieden. Dies führt zu einer Biegung des Bimetall. Auf diese Weise lassen sich Thermometer oder temeraturabhängige Schalter realisieren.

Bimetall

Fig. 4.29 Prinzip eines Bimetall#

4.1.5. Beispiel: Bimetallstreifen#

Nach welcher Seite biegt sich ein Bimetallstreifen aus Eisen und Aluminium bei Temperaturerhöhung?

Der Längenausdehnungskoeffizient von Eisen ist αEisen=11.81061K

Der Längenausdehnungskoeffizient von Aluminium ist αAlu=23.11061K

Die Aluminiumseite dehnt sich stärker aus Das Bimetall biegt sich in Richtung Eisen.

4.2. Räumliche Ausdehnung#

In 3D kann statt der Längenausdehnung α auch die Volumenausdehnung γ angegeben werden. Für isotrope Stoffe gilt

V+ΔV=L1(1+αΔT)L2(1+αΔT)L3(1+αΔT)=L1L2L3(1+αΔT)3

=V(1+3αΔT+Termeα2+)V+ΔVV(1+3αΔT)

Dabei ist der Volumenausdehnungskoeffizient γ=3α.

In ähnlicher Weise gilt für die Flächenausdehnung von zweidimensionalen Objekten

A+ΔAA(1+2αΔT)

Einige Stoffe sind anisotrop, dies bedeutet, dass der Ausdehnungskoeffizient richtungsabhängig ist. Ein bekanntes Beispiel für einen anisotropen Stoff ist Holz,Die Ausdehnung quer zur Faser ist etwa zehnmal größer als längs der Faser.

Eine Übersicht über verschiedene Ausdehnungskoeffizienten ist hier zu finden.

4.2.1. Beispiel: 3 dimensionale Längenausdehnung#

Herr Müller hat sich einen Kaffee gekocht. Herr Müller trinkt gerne Kaffee, aber immer mit Milch. Doch heute füllt er seine Tasse aus Versehen randvoll mit Kaffee (γK=0,000181K) gefüllt, d.h., die Tasse enthält nun ganz genau 300ml Kaffee. Tasse und Kaffee haben eine Temperatur von T2=90C. Aber Herr Müller hat Zeit und keine Antipathie gegen kalten Kaffee. So wartet er, bis Tasse und Kaffee auf Raumtemperatur (T1=20C) abgekühlt sind. Jetzt kann er genau 2,89ml Milch hinzugeben. Berechne die Raumausdehnungszahl γT der Kaffeetasse.

Tipp: Hohlkörper dehnen sich so aus, als ob der Hohlraum aus dem gleichen Material wie die Hohlraumwände bestehen würde.

V(T+ΔT)=V0(1+γΔT)

VK(T+ΔT)=VK(T2)

VT(T+ΔT)=VT(T2)

VK(T2)=VT(T2)

VT(T1)=VK(T1)+VM(T1)

VK(T2)=VK(T1)(1+γKΔT)VK(T1)=VK(T2)1+γKΔT=296.26ml

VT(T1)=VK(T1)+VM(T1)=296.26ml+3.54ml=299.8ml

VT(T2)=VT(T1)(1+γTΔT)γT=1ΔT(VT(T2)VT(T1)1)=0.00000951K1061KPorzellan